«Wenn du wegläufst, erschiessen sie dich»

Migranten- und Flüchtlingskinder sind auf ihrem Weg nach Europa zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Auf der zentralen Mittelmeerroute berichten 77 Prozent von Missbrauch, Ausbeutung und sogar Menschenhandel. Ein neuer Bericht von UNICEF und der Internationalen Organisation für Migration zeigt das erschreckende Ausmass der Gewalt.

Mediterranean Sea 2017

UNICEF und die Internationale Organisation für Migration (IOM) stellen heute ihren neuen Bericht «Harrowing Journeys» vor, der sich mit den Risiken junger Flüchtlinge und Migranten auf ihrem Weg nach Europa auseinandersetzt. Die Ergebnisse beruhen auf den Aussagen von rund 11 000 Minderjährigen (14–17 Jahre) und jungen Erwachsenen (18–24 Jahre). Sie zeigen deutlich, dass diese Altersgruppe weit häufiger von Missbrauch, Ausbeutung und Menschenhandel betroffen ist als über 24-Jährige: fast doppelt so häufig auf der östlichen und 13 Prozent häufiger auf der zentralen Mittelmeerroute.

So berichtet zum Beispiel Aiamo, ein 16-jähriger unbegleiteter Flüchtling aus Gambia, wie er in Libyen zu monatelanger schwerer Arbeit gezwungen wurde. «Wenn du versuchst wegzulaufen, erschiessen sie dich. Wenn du aufhörst zu arbeiten, schlagen sie dich. Wir wurden wie Sklaven behandelt. Abends wurden wir einfach weggesperrt.»

«Es scheint üblich zu werden, dass Kinder auf dem Weg übers Mittelmeer missbraucht, verkauft, geschlagen und diskriminiert werden», sagt Afshan Khan, UNICEF Regionaldirektor und Sonderkoordinator für die Flüchtlings- und Migrantenkrise in Europa. «Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen Lösungen für sichere und legale Migrationswege finden, Schutzkorridore einrichten und Alternativen zur Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen schaffen.»

Der Bericht zeigt auch, dass das Risiko von Ausbeutung und Menschenhandel für Kinder aus Afrika südlich der Sahara besonders hoch ist. Auf der östlichen Mittelmeerroute machen 65 Prozent von ihnen entsprechende Erfahrungen (gegenüber 15 Prozent der Minderjährigen aus anderen Ländern), auf der zentralen Mittelmeerroute 83 Prozent (gegenüber 56 Prozent).

Für viele Flüchtlinge und Migranten ist die Gefahr noch lange nicht vorbei, wenn sie in Europa ankommen: Wer Schulden gemacht hat, um die Überfahrt bezahlen zu können, ist weiterhin abhängig.


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