Zum Kinderrechtstag zieht UNICEF Bilanz: Wo stehen die Kinderrechte heute?

Zürich, 18. November 2016 – Vor 27 Jahren, am 20. November 1989, wurde die Kinderrechtskonvention verabschiedet. Seither konnten grosse Fortschritte erzielt werden: Die Kindersterblichkeit wurde halbiert, viel weniger Kinder leben heute in extremster Armut, und viel mehr Kinder besuchen heute eine Primarschule. Aber für zu viele Kinder sind die in der Kinderrechtskonvention festgehaltenen Kinderrechte noch immer nicht Realität geworden. Noch heute sterben täglich 16 000 Kinder aus vermeidbaren Gründen. Der Fortschritt ist nicht gerecht verteilt und Krisen drohen errungene Fortschritte wieder zunichtezumachen. Zum internationalen Tag der Kinderrechte ruft UNICEF Schweiz dazu auf, sich für die konsequente Umsetzung der Kinderrechte einzusetzen.

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde von 196 Ländern ratifiziert und ist somit der erfolgreichste Völkerrechtsvertrag. Sie hält in 54 Artikeln die internationalen Rechte des Kindes fest und umfasst die Themen Überleben, Schutz und Entwicklung von Kindern.

Fortschritte seit dem Inkrafttreten der Kinderrechtskonvention:
Die Kinderrechtskonvention hat massgeblich dazu beigetragen, das Bewusstsein über die Rechte des Kindes zu stärken, Kinder besser zu schützen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern. So besuchen heute über 90% der Kinder eine Primarschule, und zwar fast gleich viele Mädchen wie Buben. Die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, konnte um über 40% gesenkt werden. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, da Bildung das nachhaltigste Mittel gegen Armut ist. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren hat sich mehr als halbiert, bei Neugeborenen ist sie um 47% gesunken. Auch die Müttersterblichkeit hat sich fast halbiert. Die Senkung der Kindersterblichkeit wurde primär durch die Vorbeugung gegen infektiöse Krankheiten erreicht. Massiv gesenkt werden konnten auch die Neuinfektionen mit HIV, nämlich um 58% bei den 0- bis 14-Jährigen.

Herausforderungen:
Auch wenn grosse Fortschritte erreicht wurden, gibt es grosse Lücken und Herausforderungen, denn der Fortschritt ist nicht gleichmässig verteilt.

  • Noch immer sterben weltweit jedes Jahr 5,9 Millionen Kinder noch vor ihrem 5. Geburtstag – das sind durchschnittlich 16 000 Kinder jeden Tag, 700 Kinder jede Stunde, 11 Kinder pro Minute. Die Gründe sind Lungenentzündungen, Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, vermeidbare Krankheiten aufgrund von fehlendem Impfschutz und Komplikationen bei der Geburt.
  • Global gesehen ist das Phänomen der Kindersterblichkeit stark auf gewisse Regionen konzentriert. So betrafen 2015 etwa 80% der weltweiten Kindersterblichkeit die Regionen Südasien und Afrika südlich der Sahara und fast 50% der gesamten weltweiten Kindersterblichkeit nur 5 Länder: die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Indien, Nigeria und Pakistan.
  • Noch immer haben Kinder aus dem ärmsten Fünftel der Haushalte ein doppelt so grosses Risiko, ihren 5. Geburtstag nicht zu erleben, wie die Kinder aus den reichsten 20% der Haushalte. So tragen zum Beispiel Kinder aus den ärmsten 20% der Familien in Indien und den Philippinen ein dreimal so grosses Risiko, vor ihrem 5. Geburtstag zu sterben, wie die Kinder aus dem reichsten Fünftel der Familien.
  • Bei Neugeborenen konnte die Sterblichkeit nicht in dem Masse gesenkt werden wie bei Kindern unter 5 Jahren. Generell hat der Anteil der Säuglingssterblichkeit an der Kindersterblichkeit proportional zugenommen. Was es dringend braucht, um diese frühen Kindstode zu verhindern, sind sauberes Wasser und medizinische Versorgung von Mutter und Kind. Jedes Kind, das stirbt, ist eines zu viel.
  • Weltweit leiden 159 Millionen Kinder an Unterentwicklung aufgrund von Mangelernährung, zirka die Hälfte davon in lebt in Südasien, ein Drittel davon in Afrika.
  • Noch immer werden 15 Millionen Mädchen unter 18 in die Frühehe gezwungen.
  • 230 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind weltweit noch immer nicht registriert. Geburtenregistrierung ist zentral, damit ein Kind seine Rechte einfordern kann.
  • Noch immer gehen 59 Millionen Kinder im Vorschulalter nicht zur Schule.
  • Wenn die Weltgemeinschaft nichts ändert, dann werden im Jahr 2030 9 von 10 Kindern, die in extremer Armut leben, aus dem Gebiet Afrika südlich der Sahara kommen.
  • Noch immer leisten 150 Millionen Kinder Kinderarbeit unter schwersten Bedingungen.

Dringender Handlungsbedarf:

  • Um die Ziele zu erreichen, die im Rahmen der nachhaltigen Entwicklungsziele gesteckt wurden, müssen dringend Massnahmen getroffen werden. Insbesondere müssen die grossen Lücken zwischen den ärmsten und den reichsten Kindern geschlossen werden.
  • Um zum Beispiel das Entwicklungsziel zur Senkung der Kindersterblichkeit zu erreichen, muss der Fortschritt bei den ärmsten Kindern in vielen Ländern massiv stärker ansetzen als bei den wohlhabenderen Haushalten.
  • Um alle Kinder zu erreichen, braucht es internationales Engagement, gemeinsamen Willen und Verbindlichkeit sowie auch nachhaltige Finanzierung. Ungerechtigkeit ist weder unvermeidlich noch unüberwindbar.
  • Um zu eruieren, welche die am stärksten benachteiligten Kinder sind und wo sie leben, braucht es eine bessere, detailliertere Datenerhebung, um dann lokale Gesundheits-, Schul- und Sozialhilfesysteme entsprechend zu stärken.
  • Verteilungsgerechtigkeit bedeutet, sich auf die am meisten benachteiligten Kinder zu konzentrieren, jene aus den ärmsten Familien, jene, die in abgelegenen Gebieten leben, auf Flüchtlings- und Migrantenkinder, auf Kinder mit Behinderungen und auf Kinder aus ethnischen Gruppen oder Religionen, die Diskriminierung erfahren.
  • Die Kosten der Untätigkeit sind zu hoch. Zudem drohen Krisen wie Umweltkatastrophen und Konflikte bereits erzielte Fortschritte wieder zunichtezumachen.
  • Handeln ist notwendig, denn wachsende Ungerechtigkeit in Schüsselbereichen wie Schulbildung erhöht das Risiko für Konflikte und wirkt sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes aus. Im Gegensatz steht höhere Gerechtigkeit in starkem Zusammenhang mit nachhaltigem Wirtschaftswachstum.

Die Kinderrechte in der Schweiz
Die UN-Kinderrechtskonvention ist seit 1997 in der Schweiz verbindlich. Aber auch in der Schweiz ist die Chancengerechtigkeit noch nicht für alle Kinder gleichermassen gegeben. Bund und Kantone sind aufgefordert, ihren Verpflichtungen konsequenter nachzukommen und insbesondere verletzliche Kinder besser zu schützen. Dafür braucht es eine systematische, kantonsübergreifende Datenerhebung, eine gute Koordination zwischen den Kantonen und adäquate Schutzmassnahmen für besonders verletzliche und gefährdete Kinder. Denn alle Kinder in der Schweiz haben dieselben Rechte, kein Kind darf aufgrund eines ungeklärten Aufenthaltsstatus, Armut oder einer anderen benachteiligten Situation von Schul-, Ausbildungs- oder Gesundheitssystemen ausgeschlossen werden.

Kontakt für Medien:

Charlotte Schweizer
Mediensprecherin
UNICEF Schweiz
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