Pandemie hat Auswirkungen auf Nahrungsmittelversorgung – mit tödlichen Folgen

Eine am Montag veröffentlichte Analyse rechnet vor, dass in diesem Jahr bis zu 10 000 zusätzliche Kinder pro Monat an Unterernährung sterben könnten. Dies aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

© UNICEF/UNI344667/Pouget
Einem akut mangelernährten Kind in einem Gesundheitszentrum in Mauretanien wird der Oberarm-Umfang gemessen.

Laut einer aktuellen Analyse, die in dem wissenschaftlichen Fachmagazin «The Lancet» veröffentlicht wurde, könnten aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie bis Ende des Jahres zusätzlich 6,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren von akuter Mangelernährung betroffen sein. 80 Prozent dieser Kinder stammen aus Subsahara-Afrika und Südasien – mehr als die Hälfte von ihnen allein aus Südasien.

«Vor sieben Monaten wurden die ersten Covid-19-Fälle gemeldet und es wird immer deutlicher, dass die Auswirkungen der Pandemie den Kindern mehr Schaden zufügen, als die Krankheit selbst», sagte die UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. «Haushaltsarmut und Ernährungsunsicherheit nehmen zu. Grundlegende Ernährungsdienste und Versorgungsketten wurden unterbrochen. Die Lebensmittelpreise sind in die Höhe geschossen. Infolgedessen können sich Kinder weniger gesund ernähren und die Mangelernährungsraten werden steigen.»

Zahl akut mangelernährter Kinder könnte neuen Höchststand erreichen

Akute Mangelernährung ist besonders lebensbedrohlich. Betroffene Kinder sind zu dünn für ihre Körpergrösse und haben ein höheres Risiko zu sterben, oder in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung zurückzubleiben. Laut UNICEF waren 2019 schätzungsweise 47 Millionen Kinder unter fünf Jahren akut mangelernährt («wasted»). Ohne unverzügliches Handeln könnte die Zahl der Kinder unter fünf Jahren, die an akuter Mangelernährung leiden, im Laufe des Jahres auf 54 Millionen ansteigen. Damit würde die Zahl der betroffenen Kinder in diesem Jahrtausend einen neuen Höchststand erreichen.

Laut der Lancet-Analyse könnte die Anzahl der akut mangelernährten Kinder in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie um 14,3 Prozent ansteigen. Infolgedessen könnten 10 000 weitere Kinder pro Monat sterben, mehr als 50 Prozent allein in Subsahara-Afrika.

UN-Organisationen warnen: Zunahme von akuter Mangelernährung nur Spitze des Eisbergs

Als Folge der Covid-19-Pandemie werden auch andere Formen der Mangelernährung bei Kindern und Müttern zunehmen, wie chronische Mangelernährung («Stunting»), Defizite durch fehlende Vitamine und Nährstoffe, Übergewicht und Fettleibigkeit in Folge schlechterer Ernährung und der Unterbrechung von Ernährungsdiensten.

UNICEF-Erhebungen aus den ersten Monaten der Pandemie deuten darauf hin, dass wesentliche –und häufig lebensrettende – Ernährungsdienste insgesamt um 30 Prozent zurückgegangen sind. In einigen Ländern kam es zu Unterbrechungen von 75 bis 100 Prozent. So hat die Angst vor einer Ansteckung und der Mangel an Schutzausrüstung für das Gesundheitspersonal beispielsweise in Afghanistan und Haiti zu einem Rückgang der Krankenhauseinweisungen von schwer akut mangelernährten Kindern um schätzungsweise 40 bzw. 73 Prozent geführt. In Kenia ging die Zahl der Einweisungen um 40 Prozent zurück. Mehr als 250 Millionen Kinder weltweit erhalten wegen der Pandemie keine ausreichende Vitamin-A-Ergänzungen.

Wenn der hochgerechnete Anstieg akuter Mangelernährung in jedem Land mit einem prognostizierten Rückgang der Ernährungsdienstleistungen von einem Jahresdurchschnitt von 25 Prozent kombiniert wird, könnte dies laut der Analyse im Laufe des Jahres zu 128 605 weiteren Todesfällen bei Kindern unter fünf Jahren führen. Die Berechnung umfasst Szenarien, die einen Rückgang zwischen 15 Prozent und 50 Prozent der Ernährungsdienste modellieren. Diese Ernährungsdienste umfassen beispielsweise Vitamin-A-Ergänzungen, die Behandlung lebensbedrohlicher schwerer Mangelernährung bei Kindern, die Förderung einer verbesserten Ernährung von Kleinkindern und die Versorgung schwangerer Frauen mit Mikronährstoffpräparaten.

Humanitäre Hilfsorganisationen benötigen 2,4 Milliarden US-Dollar, um Kinder und Mütter bis Ende des Jahres mit Ernährungsprogrammen zu unterstützen. Die vier Leiterinnen und Leiter der UN-Organisationen rufen Regierungen, Spender, die Öffentlichkeit und Unternehmen dazu auf:

  • den Zugang zu nahrhaften, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln sicherzustellen;
  • in Ernährungsprogramme für Mütter und Kinder zu investieren;
  • Programme zur Früherkennung und Behandlung von schwerer akuter Mangelernährung sowie andere lebensrettende Ernährungsprogramme weiterzuführen und auszuweiten;
  • nahrhafte Schulmahlzeiten für gefährdete Kinder durch Auslieferungen nach Hause, Mahlzeiten zum Mitnehmen, die Ausgabe von Bargeld oder Gutscheinen sicherzustellen, wenn Schulen geschlossen sind und
  • soziale Sicherungssysteme auszuweiten, um den ärmsten und am stärksten betroffenen Haushalte den Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln und grundlegenden Dienstleistungen zu gewährleisten, einschliesslich des Zugangs zu angereicherten Lebensmitteln.