Erster UNICEF Bericht zur Vorschulbildung

Der erste globale Bericht von UNICEF über die frühkindliche Bildung hebt hervor, dass weltweit die Mehrheit der Regierungen nicht genügend in die Vorschulbildung investiert. Die Schweiz liegt im europäischen Vergleich weit zurück.

Mongolia 2018
© UNICEF/UN0220814/Matas

Mehr als 175 Millionen Kinder besuchen keinen Kindergarten. Das entspricht global rund der Hälfte der Kinder im Vorschulalter. Diese Kinder leiden von Anfang an unter grossen Ungleichheiten, warnt UNICEF in einem heute veröffentlichten Bericht über Vorschulbildung. Vor allem in einkommensschwachen Ländern zeichnet sich ein düsteres Bild ab: Nur jedes fünfte Kind ist in einem Kindergarten eingeschrieben. «Die Vorschule ist die Bildungsgrundlage unserer Kinder», sagt Henrietta Fore, Exekutivdirektorin von UNICEF. «Doch zu vielen Kindern auf der ganzen Welt wird diese Möglichkeit verwehrt. Dies erhöht das Risiko, dass sie eine Klasse wiederholen oder die Schule ganz verlassen müssen und damit im Schatten ihrer begünstigteren Altersgenossen stehen bleiben.»

Armut als grösster Hemmfaktor vorschulischer Bildung

UNICEFs erster globaler Bericht über die Vorschulbildung zeigt, dass Kinder, die mindestens ein Jahr Vorschulbildung geniessen, eher die nötigen Fähigkeiten entwickeln, um in der Schule erfolgreich zu sein. In Ländern, in denen mehr Kinder Vorschulprogramme besuchen, absolvieren signifikant mehr Kinder die Grundschule und erreichen bis zum Abschluss der Grundschule Mindestkenntnisse in Lesen und Rechnen. Weltweit gehören Haushaltseinkommen, Bildungsstand der Mütter und geografische Lage zu den wichtigsten Einflussfaktoren für den Besuch der Vorschule, so der Bericht. Der grösste Hinderungsgrund ist Armut. Einige wichtige Ergebnisse aus dem Bericht:

  • Armut: In 64 Ländern liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die ärmsten Kinder an frühkindlicher Bildung teilnehmen, siebenmal tiefer als bei Kindern aus wohlhabenden Familien. In einigen Ländern offenbart sich die Kluft zwischen Arm und Reich noch weitaus deutlicher: So ist es in Nordmazedonien etwa 50-mal wahrscheinlicher, dass Kinder aus den reichsten Haushalten eine Vorschule besuchen, als Kinder aus den ärmsten Haushalten.
  • Konfliktgebiete: Mehr als zwei Drittel der Kinder im Vorschulalter, die in 33 Ländern leben, welche von Konflikten oder Katastrophen betroffen sind, besuchen keine frühkindlichen Bildungsprogramme. Doch genau diese Kinder würden davon am meisten profitieren. Die Vorschule hilft betroffenen Kleinkindern, ihre Traumata zu überwinden, indem sie ihnen eine Struktur gibt und einen sicheren Ort zum Lernen und Spielen bietet.
  • Bildungsabschluss der Vorgeneration: In allen Ländern, in denen Daten vorliegen, nehmen Kinder von Müttern, die mindestens über einen Sekundarschulabschluss verfügen, fünfmal häufiger an einem frühkindlichen Bildungsprogramm teil als Kinder, deren Mütter nur eine Grundschulbildung abgeschlossen haben oder gar nie zur Schule gingen.

Anteil des Bildungsbudgets für Vorschule – Schweiz liegt weit zurück

Im Jahr 2017 wurden weltweit durchschnittlich 6,6 Prozent der inländischen Bildungsbudgets für die Vorschulbildung aufgewendet, wobei fast 40 Prozent der Länder, die für die Studie relevante Daten lieferten, weniger als 2 Prozent ihrer Bildungsbudgets für diesen Teilsektor bereitstellen. In West- und Zentralafrika werden 2,5 Prozent in die Vorschulbildung investiert, 70 Prozent der Kinder in dieser Region verpassen die Chance auf eine frühzeitige Bildung. Die Schweiz verbraucht zwischen 5 und 7,9 Prozent des vorhandenen Bildungsbudgets für die frühkindliche Bildung. Damit liegt sie im direkten Vergleich mit Ländern wie Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien, die zwischen 8 und über 10 Prozent der entsprechenden Gelder in Vorschulbildung investieren, teils deutlich zurück.

Regierungen müssen der Vorschulbildung mehr Priorität einräumen

Das Fehlen der weltweit notwendigen Investitionen in die Vorschulbildung wirkt sich negativ auf die Qualität der Angebote aus, etwa in Form eines erheblichen Mangels an ausgebildeten Vorschullehrern. In Ländern mit niedrigem Einkommen und solchen der mittleren Einkommensstufe im unteren Bereich leben weltweit über 60 Prozent der Kinder im Vorschulalter, jedoch nur rund 32 Prozent aller Vorschullehrer. Tatsächlich unterrichten derzeit nur 422 000 Vorschullehrer in Ländern mit niedrigem Einkommen. Bei wachsender Bevölkerung und einem idealen Schüler-Lehrer-Verhältnis von 20 zu 1 wird die Welt im Jahr 2030 9,3 Millionen neue Vorschullehrer benötigen, um das nachhaltige Entwicklungsziel für Vorschulbildung zu erreichen.

«Wenn die Regierungen von heute wollen, dass ihre Arbeitskräfte in der Wirtschaft von morgen wettbewerbsfähig sind, müssen sie mit frühkindlicher Bildung beginnen», sagt Henrietta Fore. «Wollen wir unseren Kindern die beste Chance im Leben geben, damit sie in einer globalisierten Wirtschaft erfolgreich sind, müssen die Entscheidungsträger der Vorschulbildung Priorität einräumen und sie angemessen mit Ressourcen ausstatten.»

UNICEF fordert die Regierungen auf, global mindestens ein Jahr lang eine qualitativ hochwertige Vorschulbildung zu einem festen Bestandteil der Ausbildung jedes Kindes zu machen, insbesondere auch der verletzlichsten Kinder dieser Welt. Um dies zu erreichen, fordert UNICEF die Regierungen auf, mindestens 10 Prozent ihrer nationalen Bildungsbudgets für die Verbesserung der frühkindlichen Bildung zu verwenden und in Lehrer und Qualitätsstandards zu investieren, damit sich die Gesellschaften zu friedlichen und wohlhabenden Volkswirtschaften entwickeln können.

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Jürg Keim
Mediensprecher
UNICEF Schweiz und Liechtenstein
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