Fast 50 Millionen Kinder sind entwurzelt

New York/Zürich, 7. September 2016. Fast 50 Millionen Kinder und Jugendliche weltweit sind zurzeit in Folge von Flucht und Migration entwurzelt – mehr als die Hälfte von ihnen (28 Millionen) wurden aufgrund von Krieg und Konflikten aus ihrem Zuhause vertrieben. Millionen von weiteren Kindern haben ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren, sichereren Leben verlassen. Diese Zahlen hat UNICEF heute im neu erschienenen Bericht «Uprooted» veröffentlicht, einem Bericht, der erstmals alle verfügbaren Informationen über die globale Situation der Kinder auf der Flucht zusammenträgt. UNICEF fordert die Regierungen auf, sich stärker für die Rechte der betroffenen Kinder einzusetzen.

Flucht und Migration: Eine Krise der Kinder
Kinder können Flüchtlinge, im eigenen Land Vertriebene oder Migranten sein – sie sind jedoch in allererster Linie Kinder. Sie tragen keine Verantwortung für die Gewalt und die Entbehrungen um sie herum und dennoch sind sie immer die Ersten, die von den Konsequenzen von Krieg, Konflikten, Klimaveränderungen und Armut betroffen sind. Von den Menschen, die ausserhalb ihrer Heimat Zuflucht suchen, stellen Kinder und Jugendliche einen überproportional grossen Anteil dar. Sie, die oft gerade traumatischen Situationen von Konflikt und Gewalt entkommen sind, sind auf der Flucht hohen Risiken ausgesetzt: der Gefahr, bei der Bootsüberfahrt zu ertrinken, an Hunger und Durst zu sterben und Opfer von Menschenhandel, Kidnapping, sexueller Gewalt oder Mord zu werden. In den Transit- und Zielländern begegnen ihnen häufig Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung. Trotzdem ist die Not der Familien in ihren Herkunftsländern häufig so gross, dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als diese Gefahren in Kauf zu nehmen.

Die wichtigsten Zahlen und Fakten zu Flucht und Migration von Kindern:

  • Kinder sind von Flucht besonders betroffen: Rund ein Drittel der globalen Weltbevölkerung sind Kinder. Aber die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder.
  • Rund 45 Prozent aller Flüchtlingskinder unter dem Mandat des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) kamen 2015 aus Syrien oder Afghanistan.
  • 28 Millionen Kinder sind vor Gewalt und Konflikt auf der Flucht. Dazu gehören 10 Millionen über die Landesgrenzen hinweg geflüchtete Kinder, eine Million Mädchen und Buben in Asylverfahren und schätzungsweise 17 Millionen Kinder und Jugendliche, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind.
  • Immer mehr Kinder und Jugendliche verlassen ihre Heimat alleine, sie machen sich ohne den Schutz ihrer Eltern oder anderer Angehöriger auf die beschwerliche Reise. 2015 haben über 100 000 sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in 78 Ländern Asyl beantragt – das sind drei Mal so viele wie 2014. Unbegleitete Flüchtlingskinder sind besonders gefährdet, Opfer von Ausbeutung und Missbrauch zu werden.
  • Rund 20 Millionen Kinder sind aus verschiedenen Gründen aus ihrem Heimatland emigriert, beispielsweise um extremer Armut oder Bandenkriminalität zu entkommen. Aufgrund fehlender Papiere sind sie einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von Missbrauch zu werden oder eingesperrt zu werden, weil ihnen Papiere fehlen und sie keinen geklärten Aufenthaltsstatus haben. Diese Kinder fallen häufig durchs Raster von Kinderschutzsystemen, denn es gibt keine systematische Registrierung und Nachverfolgung ihres Wohlergehens.
  • Laut Bericht hat die Türkei weltweit die grösste Zahl an Flüchtlingen aufgenommen. Hingegen beherbergt der Libanon die meisten Flüchtlinge pro Einwohner. Gemessen an ihrer Wirtschaftskraft haben die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien und Pakistan die meisten Flüchtlinge zu versorgen.

Bildung als Fluchtgrund – Flucht als Bildungshindernis
Fehlende Bildungschancen sind für viele Kinder und ihre Familien einer der Hauptgründe, ihre Heimat zu verlassen. Jedoch ist für Flüchtlingskinder die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht zur Schule gehen, fünf Mal so gross wie bei anderen Kindern. Wenn sie überhaupt zur Schule gehen können, leiden Flüchtlingskinder häufig unter Diskriminierung, unfairer Behandlung und Mobbing.

«Welchen Preis werden wir alle dafür zahlen, wenn es uns nicht gelingt, diesen jungen Menschen die Chance auf Bildung und eine normalere Kindheit zu geben? Wie sollen sie in der Lage sein, in Zukunft einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten? Denn wenn sie das nicht können, wird nicht nur ihre Zukunft geschmälert, sondern die gesamte Gesellschaft», so UNICEF Exekutivdirektor Anthony Lake.

In dem Bericht «Uprooted» setzt sich UNICEF für sichere und legale Einwanderungsmöglichkeiten für die Kinder ein. Migration kann sowohl für die Kinder als auch für die Gesellschaften, in die sie zuwandern, grosse Chancen bergen.

  • Geflüchtete und migrierte Kinder, insbesondere unbegleitete Kinder, müssen vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden.
  • Die Inhaftierung von Kindern aufgrund ihres Aufenthaltsstatus muss aufhören.
  • Die Wahrung der Familieneinheit ist der beste Weg, Kinder zu schützen und ihnen einen sicheren rechtlichen Status zu geben.
  • Alle geflüchteten und migrierten Kinder müssen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie psychosozialer Betreuung haben.
  • Die Ursachen der Flüchtlingsströme müssen bekämpft werden.
  • In den Transit- und Zielländern müssen Massnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Marginalisierung gefördert werden.

Zum vollständigen UNICEF Bericht «Uprooted» mit diversen Daten, Fakten und Grafiken:
Uprooted – The Growing Crisis for Refugee and Migrant Children

Gekürzte Fassung: 
Executive Summary and Key Findings

Für Medienschaffende können Interviews vermittelt werden.

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Charlotte Schweizer
Mediensprecherin
UNICEF Schweiz
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