Drei Jahre Bürgerkrieg in Jemen

In Jemen spielt sich eine der grössten humanitären Krisen ab, die die Welt je gesehen hat. UNICEF Regionaldirektor Geert Cappelaere zeichnet nach einem Besuch im Land ein düsteres Bild: Gewalt, Hunger und Krankheiten bedrohen Millionen Kinder, Armut und fehlende Schulbildung rauben ihnen die Zukunft.

Yemen

Geert Cappelaere, UNICEF Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika, kehrte letzte Woche erschüttert von einem Besuch in Jemen zurück. «Der Bürgerkrieg gilt zu Recht als eine der schlimmsten humanitären Krisen, die die Welt je gesehen hat», sagte er am Freitag vor den Medien. «Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass heute praktisch jedes einzelne Kind in Jemen dringend auf Hilfe angewiesen ist. Drei Jahre Krieg, jahrzehntelange Unterentwicklung haben etwas bewirkt – und leider nichts Gutes.»

Allein im Jahr 2017 wurden durch die Kampfhandlungen jeden Tag mindestens fünf Kinder getötet oder schwer verletzt. Viele hundert weitere starben an Cholera und Diphterie. Die Zahl der Kinder, die an schwerer akuter Mangelernährung leiden und damit unmittelbar vom Tod bedroht sind, ist inzwischen auf über 400 000 gestiegen. Cappelaere warnte davor, dass sich ohne entschiedene Massnahmen auch die Cholera, die das Land erst nach vielen Monaten einigermassen in den Griff bekam, mit der kommenden Regenzeit erneut ausbreiten könnte.

Die wachsende Armut sei überall sichtbar, sagte Cappelaere, der vor einigen Jahren selber in Jemen arbeitete. Selbst kleine Kinder würden betteln und arbeiten, die Hälfte der Mädchen seien an ihrem 15. Geburtstag bereits verheiratet. «Machen wir uns nichts vor: Kinder zum Betteln oder Arbeiten zu schicken, Töchter als junge Mädchen zu verheiraten, das sind keine Entscheidungen, die ein Vater oder eine Mutter treffen will. Sie haben keine Wahl, sie werden dazu gezwungen wegen dieses brutalen Kriegs.»

Fast zwei Millionen jemenitische Kinder gehen nicht zur Schule. In mindestens 2500 Schulen findet kein Unterricht mehr statt, weil sie zerstört wurden, für militärische Zwecke genutzt werden oder als Unterkunft für Vertriebene dienen. Die grosse Mehrheit der Lehrkräfte hat seit über einem Jahr keinen Lohn mehr erhalten. «Was für eine Zukunft haben diese zwei Millionen Kinder, wenn sie nicht zur Schule gehen können?»

Cappelaere kritisierte zudem, dass die Arbeit der Hilfsorganisationen gezielt erschwert werde. «Wir verlieren Zeit, Energie und Geld für Diskussionen, die es nie geben sollte. Zugang für humanitäre Hilfe – das ist der wichtigste Aufruf an alle Parteien – darf nicht an Bedingungen geknüpft werden.»