Kindeswohlgefährdung in der Schweiz

Die neue Optimus-Studie zeigt, dass in der Schweiz jedes Jahr bis zu 50 000 Kinder mit Kindesschutzorganisationen in Kontakt kommen, weil ihr Wohl gefährdet ist. Sie macht deutlich, dass wir noch viel zu wenig über Kindeswohlgefährdungen, das vielfältige Hilfe- und Unterstützungssystem und dessen Wirkungen wissen.

Optimus

Die UBS Optimus Foundation hat diese Woche im Rahmen ihrer Optimus-Studie einen neuen Bericht zur Kindeswohlgefährdung in der Schweiz veröffentlicht. Die Ergebnisse der Untersuchung rütteln auf: Jedes Jahr gelangen zwischen 30 000 und 50 000 Kinder an eine Organisation wie die Sozialdienste, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), Spitäler, die Polizei oder Opferberatungsstellen. Diese Kinder brauchen Hilfe, weil sie zum Beispiel physische oder psychische Gewalt erfahren, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden.

Die gute Nachricht ist, dass – wenn auch mit regionalen Unterschieden – ein zuverlässiges und vielseitiges System diese Kinder unterstützt. Die schlechte Nachricht ist, dass nach wie vor unzählige Fälle von Kindsmissbrauch erst sehr spät oder gar nie aufgedeckt werden.

«Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Schweiz, alles zu tun, um Kinder zu schützen», wird Elsbeth Müller, bis März 2018 Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz, in der Broschüre zum Bericht zitiert. «Hierfür bedarf es einer standardisierten und damit vergleichbaren Datenerfassung als notwendige Grundlage. Denn: Erst aufgrund einer umfassenden Datenevidenz können Probleme ausgemacht und Versorgungslücken geschlossen werden. Und dies voranzutreiben, ist Aufgabe unserer Politiker.»

Tatsächlich ist die Datengrundlage in der Schweiz lückenhaft. Verschiedene Statistiken liefern zwar wichtige und wertvolle Informationen, doch die Daten sind untereinander kaum kompatibel und decken häufig nur einzelne Regionen ab. So weiss man wenig darüber, wie die verschiedenen Bereiche des Kinderschutzsystems zusammen funktionieren, welche Formen von Kindeswohlgefährdung an sie herangetragen werden und wo es Versorgungslücken gibt. Die Optimus-Studie zeigt jedoch, dass eine nationale, repräsentative Datenerhebung zum Thema Kindeswohlgefährdung mit vertretbarem Aufwand möglich ist.

Die Optimus-Studie ist ein auf zehn Jahre angelegtes wissenschaftliches Grossprojekt, das von der UBS Optimus Foundation ins Leben gerufen und finanziert wurde. Ziel ist, repräsentative Daten über die Verbreitung und die Formen von Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu erheben, um so Lücken im Kindesschutzsystem zu erkennen und wirkungsvollere Präventions- und Interventionsstrategien erarbeiten zu können.