Kinderarbeit im Kakaoanbau – es braucht umfassende und nachhaltige Lösungen

Monika Althaus
Monika Althaus

Am 12. Juni ist der Internationale Tag gegen die Kinderarbeit. Ein Sektor, in welchem Kinderarbeit besonders verbreitet ist und welcher wegen Kinderarbeit regelmässig in der öffentlichen Kritik steht, ist der Kakao-Sektor. Das Problem ist seit langem bekannt, Verbesserungen wurden bisher aber kaum erzielt. 

© UNICEF/UN061692/Dejongh
Der 11-jährige Issiaka aus der Elfenbeinküste darf endlich wieder zur Schule.

Die Elfenbeinküste und Ghana produzieren 60 Prozent des globalen Kakaos 

Der 11-jährige Issiaka ist glücklich, wieder die Schulbank zu drücken. Drei lange Jahre konnte er die Schule nicht besuchen und musste stattdessen seine Familie auf der Kakao-Plantage und dem lokalen Markt unterstützen. «Ich gehe aber lieber in die Schule als zu arbeiten, zudem bin ich ein guter Schüler», sagt er. Und: «Ich möchte einmal Präsident werden, Präsidenten waren auch immer gut in der Schule». Sein Vater, ein Kakaobauer aus dem Südwesten der Elfenbeinküste, hat nach einem Gespräch mit den lokalen Sozialdiensten erkannt, dass es für Issiakas Zukunft besser ist, wenn er eine gute Bildung erhält und er die Schule besucht. Zusammen mit anderen Bauern hat er eine Kooperative gegründet, in welcher sie sich gegenseitig unterstützen und so auf die Arbeitsleistung ihrer Kinder verzichten können.

Die Elfenbeinküste ist der weltweit grösste Produzent von Kakao. Gemeinsam mit seinem Nachbarland Ghana produzieren die beiden westafrikanischen Staaten etwa 60% des globalen Kakaos. Kakao wird nicht auf grossen Plantagen, sondern meist in Kleinst- oder Familienbetrieben angebaut. In Ghana und der Elfenbeinküste sind 84% aller landwirtschaftlichen Haushalte im Kakao-Anbau tätig. Die meisten Kinder arbeiten auf dem familieneigenen Betrieb mit. Gemäss aktuellen Zahlen arbeiten etwa 1,56 Millionen Kinder in den beiden Ländern im Kakao-Sektor. Eine Zahl, die etwa vergleichbar ist mit allen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, die in der Schweiz leben. Ein Grossteil dieser Kinder üben «gefährliche Kinderarbeit» aus - dies sind Arbeiten, bei welchen die physische und psychische Gesundheit der Kinder gefährdet wird. Im Kakao-Sektor sind dies z.B. das Tragen von schweren Lasten wie grossen Säcken mit Kakao-Schoten oder -Bohnen, das hantieren mit Macheten zum Öffnen der Kakaofrüchte oder zur Landrodung. Auch der Umgang mit giftigen Pestiziden, welche beim Kakao-Anbau oft zur Anwendung kommen, fällt in diese Kategorie.

© UNICEF/UN061517/Dejongh

Kinderarbeit steigt wieder an

Wieso ist Kinderarbeit in diesen beiden Ländern im Kakao-Sektor so stark verbreitet? Kinderarbeit ist eine Folge von Missständen und hat komplexe Ursachen: Zentral ist die ausgeprägte Armut der Kakao-Bauern, die an der Armutsgrenze leben und oft kaum mehr als 1 USD pro Tag verdienen, um sich und die Familie zu ernähren. Auch gibt es in vielen der Kakaoanbauregionen kaum Schulen oder qualitativ angemessene Bildungsmöglichkeiten. Sozialer Schutz und staatliche Unterstützung gibt es kaum, und bei einer Notfallsituation wie einem Unfall, einer Krankheit oder einem Ausfall der Kakao-Ernte sind die Bauern nicht abgesichert. Dass Kinder in einer solchen Situation einspringen müssen, ist oft die naheliegendste, wenn nicht gar die einzige Lösung. Auch fehlende angemessene Arbeitsbedingungen für Erwachsene und junge Arbeitnehmende können ein weiterer Treiber von Kinderarbeit sein.

In Ghana und in der Elfenbeinküste hat sich in den letzten Jahren die Schulbesuchsquote massgeblich erhöht. Kinderarbeit bedeutet jedoch oft auch, dass die Kinder eben beides machen – arbeiten und zur Schule gehen. Dass die Qualität der Schulbildung darunter leidet, weil Kinder allenfalls nur einen Teil der Lektionen besuchen, ihre Hausaufgaben nicht erledigen können oder in der Schule schlicht zu müde sind, um dem Unterricht zu folgen, liegt auf der Hand. 

Auch wenn die Thematik in den letzten Jahren bei Unternehmen wie auch in der Politik stark an Sichtbarkeit gewonnen hat und sich zahlreiche Initiativen die Bekämpfung der Kinderarbeit auf die Fahnen geschrieben haben, fehlen bislang konkrete, globale Lösungen, um diese gravierende Kinderrechtsverletzung nachhaltig anzugehen. Die stetig hohen beziehungsweise steigenden Zahlen der Kinderarbeit sprechen hier eine klare Sprache: Ausbeuterische und schädigende Kinderarbeit ist in den vergangenen vier Jahren um 8 Millionen Kinder auf 160 Millionen Mädchen und Buben gewachsen. Erstmals seit 20 Jahren sind die Zahlen gemäss dieser Erhebung wieder gestiegen. Auch im Kakao-Sektor in Westafrika haben im Jahr 2020 mehr Kinder gearbeitet als noch 2015. Nach Schätzungen von UNICEF und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) könnten insgesamt neun Millionen weitere Mädchen und Buben bis Ende dieses Jahres in Kinderarbeit – nicht nur im Kakao-Sektor – gedrängt werden. Nur wenn alle wichtigen Akteure, sprich Regierungen, Unternehmen, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, und gemeinsam nach Lösungen suchen, wird Kinderarbeit zurückgehen.

© UNICEF/UN061516/Dejongh

In der Schweiz ist UNICEF Mitglied der Schweizerischen Plattform für nachhaltigen Kakao, einer Multi-Stakeholder-Plattform, welcher in der Schweiz ansässige Kakao-Firmen, Detailhändler, der öffentliche Sektor, sowie die Zivilgesellschaft angehören. UNICEF engagiert sich im Rahmen der Arbeitsgruppe zum Thema Kinderarbeit der vier europäischen Kakao-Plattformen dafür, dass ein gemeinsames Verständnis über die Grundursachen der Kinderarbeit im Kakao-Sektor besteht und dass gemeinsame Massnahmen angegangen werden, um Kinderarbeit effektiv und nachhaltig zu bekämpfen.

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