Beirut – Ein Jahr nach den verheerenden Explosionen

Am 4. August 2020 brach für viele Menschen in Beirut eine Welt zusammen, als es im Hafen zu schweren Explosionen kam. Ein Jahr nach der Katastrophe ist die Lage in der libanesischen Hafenstadt alles andere als entspannt. 

Die Explosionen verwüsteten weite Teile Beiruts, töteten mehr als 200 Menschen, darunter sechs Kinder, und verletzten mehr als 6 500, darunter 1 000 Kinder. Zehntausende wurden obdachlos oder verloren ihren Arbeitsplatz und somit ihr Einkommen, weil Geschäfte zerstört wurden. 

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Kurz nach der Explosion: Blick auf den zerstörten Hafen von Beirut.
Beirut Explosion
Ein junger Libanese blickt über den Beiruter Hafen am Donnerstag, 6. August 2020.
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UNICEF führte im Juli eine Telefon-Befragung mit 1 187 Haushalten zur Lage ein Jahr nach der Tragödie durch. Diese brachte zum Vorschein, dass die Bedürfnisse der betroffenen Kinder und Familien weiterhin akut sind, verstärkt durch eine zusammenbrechende Wirtschaft, politische Instabilität und die Covid-19-Pandemie. Konkret zeigte sich Folgendes:

  • Sieben von zehn Haushalten beantragten nach den Explosionen vom 4. August 2020 grundlegende Hilfe, und fast alle dieser Familien benötigen weiterhin Unterstützung. Die meisten Anträge betrafen Bargeld und Lebensmittel, was auch weiterhin der Fall ist.
  • Ein Drittel der Familien mit Kindern unter 18 Jahren gab an, dass mindestens ein Kind in ihrem Haushalt immer noch Anzeichen von psychischer Belastung zeigt. Bei den Erwachsenen ist es fast die Hälfte. 
  • Zwei von drei Familien (68,6 Prozent) hatten seit den Explosionen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung oder Medikamenten. Erschwerend kommt hinzu, dass in einer von vier Familien mindestens ein Haushaltsmitglied seit den Explosionen positiv auf Covid-19 getestet wurde.
  • Fast alle Familien gaben an, dass ihre Häuser nach den Explosionen repariert werden mussten, und etwa die Hälfte der Familien gab an, dass dies immer noch der Fall ist.
  • Vier von zehn Familien gaben an, dass ihr Wasserversorgungssystem durch die Explosionen beeinträchtigt wurde, und etwa ein Viertel dieser Familien sagte, dass dies immer noch der Fall sei.

UNICEF ruft zu folgenden Massnahmen auf: 

  • Den Kindern im Libanon muss höchste Priorität eingeräumt werden, ihre Grundrechte müssen geachtet und gewahrt werden. Dazu gehört der Zugang zu Gesundheit, Ernährung und Schutz vor Gewalt, einschliesslich Missbrauch und Ausbeutung. 
  • Die führenden libanesischen Politiker müssen ihre politischen Differenzen überwinden und sich zusammenfinden, um eine Regierung zu bilden, die das libanesische Volk in den Mittelpunkt stellt und das Land auf den Weg der Besserung bringt, um den von der Explosion betroffenen Familien Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. 
  • Für das Überleben und die Entwicklung von Kindern ist es von entscheidender Bedeutung, dass die öffentlichen Dienstleistungen kurz- und längerfristig aufrechterhalten werden. Dazu gehört die Bereitstellung von Wasser, Bildung und Gesundheitsfürsorge. 
  • Aufbau eines nachhaltigen nationalen Sozialhilfesystems, das u. a. bedürftige Familien mit Bargeldunterstützung erreicht, ähnlich dem von UNICEF unterstützten «Haddi»-Programm.  Das System würde bedürftige Familien mit Kleinkindern, Menschen mit Behinderungen und Menschen über 70 Jahren erfassen.  
  • Eine transparente und glaubwürdige Untersuchung, um die Ursache der Explosion zu ermitteln, die Verantwortlichen für die Explosion zur Rechenschaft zu ziehen und den betroffenen Familien, einschliesslich derer, die ihre Angehörigen verloren haben, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.