Syrien: Immer mehr Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen

Nach dreizehn Jahren Konflikt in Syrien sind fast 7,5 Millionen Kinder im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen – mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt des Konflikts. Wiederholte Zyklen von Gewalt und Vertreibung, eine verheerende Wirtschaftskrise und extreme Entbehrungen, Krankheitsausbrüche und die schweren Erdbeben im vergangenen Jahr haben dazu geführt, dass Hunderttausende von Kindern langfristigen physischen und psychosozialen Folgen ausgesetzt sind.

Zwei kleine Kinder sitzen auf dem Boden
Abd Alwahab, 3, und seine Schwester Malak, 1, vor einem von UNICEF unterstützten Gesundheits- und Ernährungszentrum in Nayrab, in Aleppo, Syrien.

Mehr als 650 000 Kinder unter fünf Jahren sind chronisch unterernährt – ein Anstieg von rund 150 000 seit 2019. Chronische Unterernährung führt zu irreversiblen Schäden an der körperlichen und kognitiven Entwicklung von Kindern, was sich auf ihre Lernfähigkeit, ihre Produktivität und ihr Einkommen im späteren Erwachsenenalter auswirkt.

Laut einer kürzlich in Nordsyrien durchgeführten Haushaltsbefragung berichteten 34 Prozent der Mädchen und 31 Prozent der Jungen über psychosoziale Probleme. Auch die in den erdbebengeschädigten Gebieten durchgeführten Erhebungen ergaben mit 83 Prozent der Befragten einen noch höheren Prozentsatz von Kindern, die schwere psychische Verhaltensstörungen aufwiesen.

«Die traurige Realität ist, dass heute und in den kommenden Tagen viele Kinder in Syrien ihren 13. Geburtstag feiern und zu Teenagern werden, mit dem Wissen, dass ihre gesamte bisherige Kindheit von Konflikten, Vertreibung und Entbehrungen geprägt war», sagte die UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, Adele Khodr. «Letztendlich brauchen Kinder eine Chance. Sie brauchen eine langfristige friedliche Lösung für die Krise, aber wir können nicht einfach darauf warten. In der Zwischenzeit müssen wir sicherstellen, dass Kinder und Familien nicht nur Zugang zur Grundversorgung haben, sondern dass wir ihnen auch die Fähigkeiten vermitteln, die sie brauchen, um sich eine eigene Zukunft aufzubauen.»

Auch wenn Syrien nicht mehr regelmässig in den internationalen Schlagzeilen steht, hat der Konflikt weiterhin verheerende Auswirkungen auf die Zukunft der Kinder und ihr Leben. Die jüngste Welle der Gewalt, die in den letzten sechs Monaten in mehreren Orten begann, ist die schlimmste, die das Land seit vier Jahren erlebt hat.  Mehr als 13 Millionen Syrer – etwa die Hälfte der Bevölkerung vor dem Konflikt – sind innerhalb oder ausserhalb Syriens auf der Flucht und können nicht in ihre Häuser zurückkehren. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Mittel für humanitäre Hilfe sind auf einen historischen Tiefstand gesunken, sowohl in Syrien selbst als auch für die Syrer in den Nachbarländern. Fast die Hälfte der 5,5 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter – etwa 2,4 Millionen Kinder im Alter von 5 bis 17 Jahren – gehen nicht zur Schule.

«Eine Generation von Kindern in Syrien hat bereits einen unerträglichen Preis für diesen Konflikt gezahlt», sagte Khodr. «Die kontinuierliche Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ist entscheidend für die Wiederherstellung der Systeme zur Bereitstellung grundlegender sozialer Dienste wie Bildung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Gesundheit, Ernährung, Kinder- und Sozialschutz. Wir müssen sicherstellen, dass kein Kind in Syrien zurückgelassen wird».

Im Jahr 2023 erreichte UNICEF in ganz Syrien 15,8 Millionen Menschen, darunter 10 Millionen Kinder, mit lebenswichtigen Dienstleistungen und Hilfsgütern. Von den erreichten Menschen waren 5,6 Millionen von den Erdbeben betroffen. Darunter waren 3,2 Millionen Kinder. UNICEF und seine Partner versorgten im vergangenen Jahr mehr als 3,1 Millionen Menschen mit lebenswichtigen Ernährungsdiensten. In ganz Syrien wurden fast 560 000 Menschen, darunter rund 300 000 Kinder mit Massnahmen zur psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung erreicht.

Im Jahr 2024 benötigt UNICEF 401,7 Millionen US-Dollar, um 8,5 Millionen Menschen, darunter 5,4 Millionen Kinder, eine lebenswichtige Versorgung zu ermöglichen. Der grösste Finanzierungsbedarf besteht in den Bereichen Wasser, Hygiene und sanitäre Einrichtungen sowie Gesundheit und Bildung, während der Schutz von Kindern ebenso weiterhin hohe Priorität geniesst.