Tschad: Hunderttausende sudanesische Kinder suchen Schutz

Mittlerweile sind über zwei Millionen Kinder seit Ausbruch der Gewalt 2023 aus dem Sudan geflohen. Während einer dreitägigen Reise hat die UNICEF-Exekutivdirektorin einige der 700 000 Kinder, die vor dem Konflikt im Sudan geflüchtet sind, im Tschad besucht. 

Zwei Mitarbeiterinnen von UNICEF sprechen mit einer Frau, die ihr Kind auf dem Arm trägt
Am 22. Juni 2025 spricht UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell mit einer Mutter und ihrem Kind im Vorregistrierungszentrum für Geflüchtete am Grenzübergang Adré im Osten des Tschad. Dort werden sudanesische Geflüchtete bei ihrer Ankunft zunächst registriert.

UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell hat heute ihren dreitägigen Besuch im Tschad abgeschlossen und vor einer sich verschärfenden Krise für Kinder im Osten des Landes gewarnt, wo Hunderttausende Geflüchtete aus dem Sudan Schutz suchen.

Russell traf Kinder, die in Aufnahmegemeinden leben, sowie geflüchtete Mädchen und Buben. Die Zahl der Kinder, die durch den Sudan-Konflikt vertrieben wurden, ist mittlerweile auf über zwei Millionen gestiegen. Eine erschütternde Zahl, zu der auch die über 700 000 Kinder gehören, die seit Ausbruch der Gewalt im April 2023 in den Osten des Tschad geflüchtet sind.

«Hunderttausende der am stärksten gefährdeten Kinder leiden unter den Folgen des Krieges im Sudan und unter dem Mangel an lebenswichtigen Diensten für jene, die Zuflucht im Tschad gefunden haben», sagte Russell. «Im Osten des Tschad habe ich Frauen und Kinder getroffen, die kaum mehr als ihre traumatischen Erinnerungen mit sich haben. Eine Frau erzählte mir unter Tränen, wie sie aus El Geneina in Darfur vor Morden, Massenvergewaltigungen und brennenden Häusern fliehen musste. Jeden Tag kommen Hunderte weitere Menschen an. Viele Kinder sind mangelernährt, gehen nicht zur Schule und sind einem hohen Risiko von Ausbeutung und Krankheiten ausgesetzt. Die Aufnahmegemeinden teilen das Wenige, das sie haben. Doch alle diese Kinder brauchen dringend Unterstützung und Schutz.»

Während ihres Besuchs in Adré, einer Grenzstadt, die durch die Ankunft Hunderttausender Geflüchteter an ihre Belastungsgrenze gelangt ist, sprach Russell mit neu angekommenen Familien, einer tschadischen Pflegefamilie, die sich um ein unbegleitetes Kind kümmert, und besuchte ein Zentrum, in dem Frauen und Mädchen Unterstützung bei geschlechtsspezifischer Gewalt erhalten. Auf eine Einwohnerin oder einen Einwohner kommen in Adré inzwischen sechs Geflüchtete und die lokale Gemeinschaft ist überlastet.

Seit Beginn des Konflikts haben nach Regierungsangaben fast 860 000 sudanesische Geflüchtete und rund 274 000 tschadische Rückkehrerinnen und Rückkehrer im Tschad Schutz gesucht. Kinder machen 61 Prozent der Geflüchteten und 68 Prozent der Rückkehrenden aus. Das sind insgesamt über 700 000 Mädchen und Buben. Die meisten kommen über Adré und andere Grenzorte in den Provinzen Ouaddaï, Sila, Wadi Fira und Ennedi Est – Regionen, die schon vorher zu den am stärksten benachteiligten im Tschad zählten.

Trotz enormer Anstrengungen der tschadischen Regierung und humanitärer Partner ist das Ausmass der Krise überwältigend. Masern und Mangelernährung breiten sich aus. Das Risiko, dass sich der derzeit in Teilen West-Darfurs auftretende Choleraausbruch auf den Tschad ausweitet, ist hoch. Zwei von drei geflüchteten Kindern besuchen keine Schule. Die Versorgung mit sauberem Wasser, Gesundheitsdiensten und Schutzmassnahmen ist stark überlastet.

Der Tschad gehört schon jetzt zu den ärmsten Ländern der Welt. Zwar konnte die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren seit 1992 halbiert werden, und auch die Impfquote ist gestiegen. Dennoch hat der Tschad weiterhin die vierthöchste Kindersterblichkeitsrate weltweit. Etwa 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind chronisch mangelernährt, mehr als drei Millionen Kinder besuchen keine Schule.

Krise auf Krise belastet die Kinder, getrieben von Konflikten, Gewalt und den Folgen des Klimawandels. «Die Menschen im Tschad zeigen eine beeindruckende Solidarität», so Russell. «Doch sie können diese immense Aufgabe nicht allein stemmen. Wir müssen an ihrer Seite stehen – und an der Seite der Kinder aus dem Sudan. Nur gemeinsam können wir die nationalen Strukturen und Gemeinden an vorderster Front stärken – für jedes Kind.»

UNICEF leistet eine umfassende Nothilfe, mit den Schwerpunkten Kinderschutz, Gesundheit, Ernährung, Wasser- und Sanitärversorgung sowie Bildung. In Adré und Umgebung haben UNICEF-Teams Tausende Kinder geimpft, Zehntausende mit sauberem Wasser versorgt und kinderfreundliche Räume sowie Angebote für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen eingerichtet. Dennoch bestehen erhebliche Finanzierungslücken. Für die humanitäre Hilfe im Tschad – einschliesslich des Ostens des Landes – benötigt UNICEF im Jahr 2025 insgesamt 114 Millionen US-Dollar. Derzeit ist die Hilfe erst zu 34 Prozent finanziert.

Russell traf zudem Präsident Mahamat Idriss Déby Itno, um das langfristige Engagement von UNICEF im Tschad zu bekräftigen und die Unterstützung des kürzlich gestarteten Nationalen Entwicklungsplans 2030 zu besprechen. UNICEF arbeitet eng mit der Regierung zusammen, um Investitionen in das Gesundheitssystem, einschliesslich Polio-Impfkampagnen, sowie in Bildung und sozialen Schutz auszubauen.