Gaza: Über 5000 Kinder wegen Mangelernährung in Behandlung

Tausende Kinder im Gazastreifen sind von akuter Mangelernährung betroffen. Seit Jahresbeginn mussten im Schnitt täglich 112 Kinder medizinisch versorgt werden – ein alarmierendes Zeichen für das Ausmass der humanitären Krise.

Ein mängelernährtes Kind liegt in einem Krankenhausbett und hält die Hand eines Erwachsenen
5. Juni 2025, Khan Younis Gaza: Der dreijährige Hasan liegt in einem Bett im Nasser Spital während er von einem Pfleger untersucht und behandelt wird.

Die Zahl mangelernährter Kinder im Gazastreifen steigt dramatisch: Allein im Mai 2025 wurden 5119 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren wegen akuter Mangelernährung zur Behandlung aufgenommen.

Laut Daten von UNICEF-unterstützten Ernährungszentren im gesamten Gazastreifen bedeutet dies einen Anstieg von fast 50 Prozent im Vergleich zu den 3444 Aufnahmen im April 2025 und sogar einen Anstieg von 150 Prozent im Vergleich zum Februar, als eine Waffenruhe herrschte und umfangreiche Hilfslieferungen den Gazastreifen erreichten.

Von den im Mai behandelten Kindern litten 636 an schwerer akuter Mangelernährung (SAM) – der gefährlichsten Form der Mangelernährung, die unbehandelt tödlich verlaufen kann. Diese Kinder benötigen kontinuierliche, ärztlich begleitete Behandlung, sauberes Wasser und medizinische Versorgung. All das ist im Gazastreifen derzeit kaum verfügbar. Die Zahl der von SAM betroffenen Kinder ist seit Februar um 146 Prozent gestiegen.

«In nur 150 Tagen – vom Jahresbeginn bis Ende Mai – wurden 16736 Kinder im Gazastreifen wegen Mangelernährung behandelt. Das entspricht einem Tagesdurchschnitt von 112 Kindern», sagte Edouard Beigbeder, UNICEF-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika. «Jeder einzelne dieser Fälle wäre vermeidbar. Die nötige Nahrung, sauberes Wasser und medizinische Hilfe werden daran gehindert die Kinder zu erreichen. Menschliche Entscheidungen, die Leben kosten. Israel muss dringend die grossflächige Lieferung lebensrettender Hilfe über alle Grenzübergänge ermöglichen.»

Wenn sich die Lage nicht umgehend verbessert, warnt UNICEF, könnte die Zahl akut mangelernährter Kinder in den kommenden Wochen weiter drastisch ansteigen – auf den höchsten Stand seit Beginn des Konflikts. Noch vor 20 Monaten war Mangelernährung in dieser Altersgruppe im Gazastreifen nahezu nicht existent.

In den vergangenen drei Wochen konnte UNICEF zwar mehrere Hundert Paletten mit Hilfsgütern zur Vorbeugung und Behandlung von Mangelernährung liefern, doch diese Hilfe reicht bei Weitem nicht aus, um den enormen Bedarf zu decken. Die Bestände an therapeutischer Fertignahrung (Ready-to-Use Therapeutic Food, RUTF) – einem lebenswichtigen Nahrungsmittel zur Behandlung schwerer Mangelernährung – neigen sich bedrohlich dem Ende zu.

Der anhaltende Konflikt hat zentrale Wasser-, Sanitär- und Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen zerstört oder schwer beschädigt. Nur noch 127 von insgesamt 236 Behandlungszentren sind funktionsfähig. Viele mussten aufgrund von Evakuierungsanordnungen und andauernden Angriffen geschlossen werden.

Gleichzeitig steht die UNO kurz davor, keinen Treibstoff mehr zu haben. Seit dem Ende der Waffenruhe wurde der humanitären Gemeinschaft wiederholt der Zugang zu neuen oder bestehenden Treibstoffvorräten im Gazastreifen verweigert.

Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf Kinder und ihre Familien: Ohne Treibstoff können weder Wasseraufbereitungsanlagen noch Gesundheitseinrichtungen arbeiten. Bereits jetzt ist akuter wässriger Durchfall für jeden vierten dokumentierten Krankheitsfall verantwortlich. Es gibt Verdachtsfälle von Hepatitis A, einer hochansteckenden Krankheit, die besonders bei Kindern schnell tödlich verlaufen kann. Mit steigenden Temperaturen in den kommenden Wochen dürfte sich die Lage weiter verschärfen.

Mangelernährung und Krankheiten verstärken sich gegenseitig in einem tödlichen Kreislauf: Mangelernährte Kinder sind besonders anfällig für schwere Erkrankungen wie Durchfall. Gleichzeitig verschärfen wiederkehrende Durchfallerkrankungen den Mangelernährungszustand erheblich und das Risiko eines tödlichen Verlaufs steigt drastisch.

«Dies ist eine eindringliche Warnung. Es braucht jetzt entschlossenes Handeln, um eine weitere Zuspitzung von Hunger, Krankheit und Tod zu verhindern», sagte Beigbeder. «Lebensrettende Hilfe sowie kommerzielle Güter müssen schnell, sicher und in Würde über alle verfügbaren Grenzübergänge zu den betroffenen Familien gelangen.»

UNICEF appelliert erneut an alle Konfliktparteien, die Gewalt zu beenden, die Zivilbevölkerung und insbesondere Kinder zu schützen, das humanitäre Völkerrecht sowie die Menschenrechte zu achten, den uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen und alle Geiseln umgehend freizulassen.