100 Tage Krieg: 5,2 Millionen ukrainische Kinder benötigen humanitäre Hilfe

Seit 100 Tagen herrscht in der ganzen Ukraine Krieg. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatte kein Krieg so rasch und in solch einem Ausmass so verheerende Auswirkungen auf das Leben von Kindern, erklärt UNICEF. 

Ein Mädchen weint, als sie sich von ihrem Vater verabschieden muss, um mit einem Sonderevakuierungszug aus Charkiw zu flüchten.
Ganna, 65, hält ihren Enkel Mikhailo (rechts), 9, und seine beste Freundin Karolina, ebenfalls 9, fest im Arm, nachdem sie sie mehr als einen Monat lang nicht gesehen hatte. Sie steht in den Trümmern von Mikhailos beschädigtem Haus in Novoselivka, ausserhalb von Chernihiv.
Yaroslava (links), 22, und ihr Bruder Taras, 8, begutachten die Schäden an der Schule Nr. 18, in der Yaroslava vor dem Krieg als Lehrerin arbeitete und Taras zur Schule ging. Die Schule, die seit Beginn des Krieges in der Ukraine als ziviler Schutzraum und Logistiklager genutzt wurde, wurde am 3. März aus der Luft bombardiert, wobei mindestens 13 Menschen getötet wurden.
Kinderhütte in einer Tiefgarage, in der Familien aus der nordöstlichen Stadt Charkiw vor Luftangriffen Schutz gesucht haben.
Die 9-jährige Viktoriia schläft zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Grossmutter in einer U-Bahn-Station in Charkiw, eingekuschelt bei ihren Katzen. 19. April 2022
Ein Mann verabschiedet sich von seiner Frau und seinen Kindern, bevor sie mit einem Evakuierungssonderzug abfahren. 20. April 2022 in Charkiw, Ukraine
Ein Teddybär sitzt auf Sandsäcken, die als Schutzwall in Nowoseliwka ausserhalb von Tschernihiw aufgeschichtet wurden. Das kleine Dorf war mehr als einen Monat lang Schauplatz heftiger Kämpfe, und das Gebiet ist fast vollständig zerstört.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar wurden bei Anschlägen in der Ukraine mindestens 262 Kinder getötet und 415 verletzt. Drei Millionen Mädchen und Buben innerhalb der Ukraine und über 2,2 Millionen Kinder in den Ländern, die geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufgenommen haben, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Rund zwei von drei Mädchen und Buben wurden wegen der Kämpfe aus ihrem Zuhause vertrieben.

Laut dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte werden in der Ukraine jeden Tag im Durchschnitt mehr als zwei Kinder getötet und mehr als vier verletzt – überwiegend durch den Einsatz von Explosivwaffen in Wohngebieten. Auch die zivile Infrastruktur, auf die Kinder angewiesen sind, wird weiter beschädigt oder zerstört – darunter bislang mindestens 256 Gesundheitseinrichtungen und jede sechste der von UNICEF unterstützten «Safe Schools» im Osten des Landes. Hunderte weitere Schulen im ganzen Land wurden beschädigt. Die Lage der Kinder im Osten und Süden des Landes, wo die Kämpfe sich intensivieren, wird immer verzweifelter. 

«Der 1. Juni ist in der Ukraine und den Ländern der gesamten Region der internationale Tag zum Schutz von Kindern», sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «Doch anstatt diesen Tag zu feiern, nähern wir uns dem hundertsten Tag eines Krieges, der das Leben von Millionen von Kindern erschüttert. Ohne einen sofortigen Waffenstillstand und einen ausgehandelten Frieden werden die Kinder weiter leiden. Die Folgen dieses Krieges werden   gefährdete Kinder auf der ganzen Welt treffen.»

Der Krieg hat auch eine akute Kinderschutzkrise verursacht. Wenn Kinder fliehen müssen, sind sie besonders gefährdet, von ihren Familien getrennt oder Opfer von Gewalt, sexueller Ausbeutung oder Menschenhandel zu werden. Die meisten von ihnen wurden schweren traumatischen Erlebnissen ausgesetzt. Die Mädchen und Jungen brauchen dringend Sicherheit und Stabilität sowie Zugang zu Kinderschutzmassnahmen und psychosozialer Unterstützung – insbesondere, wenn sie unbegleitet sind oder von ihren Familien getrennt wurden. Mehr als alles andere brauchen sie jedoch Frieden.

Viele Familien haben wegen dem Krieg und ihrer Flucht ihre Lebensgrundlagen verloren und es fehlt ihnen an Einkommen, um die Grundbedürfnisse der Familien decken zu können und ihre Kinder ausreichend zu unterstützen. 

UNICEF ruft erneut zu einem sofortigen Waffenstillstand und zum Schutz von Kindern auf.  Angriffe auf die zivile Infrastruktur und der Einsatz von Explosivwaffen in Wohngebieten müssen aufhören. Der uneingeschränkte und schnelle Zugang von humanitären Organisationen zu Kindern in Not muss gewährleistet sein, ganz gleich wo sie sich befinden.  

UNICEF und seine Partner leisten wichtige humanitäre Hilfe für Kinder und ihre Familien in der Ukraine und den Nachbarländern – in den Bereichen Kinderschutz, Wasser und Hygiene, Gesundheit, Ernährung und Bildung.

  • In der Ukraine haben UNICEF und seine Partner bislang lebensrettende medizinische Hilfsgüter für rund 2,1 Millionen Menschen in den vom Krieg betroffenen Gebieten zur Verfügung gestellt.
  • In Gebieten, in denen Wassernetzwerke beschädigt oder zerstört wurden, haben 2,1 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser erhalten. 
  • Mehr als 610 000 Kinder und Betreuerinnen und Betreuer wurden mit psychosozialer Unterstützung erreicht; Lernmaterial für fast 290 000 Kinder bereitgestellt. 
  • Rund 300 000 besonders bedürftige Familien haben sich bisher für Bargeldhilfen über UNICEF und das Ministerium für Sozialpolitik registriert.

In den Nachbarländern unterstützt UNICEF nationale, kommunale und lokale Einrichtungen, die wichtige Dienstleistungen und Schutzprogramme anbieten, insbesondere für besonders vulnerable Mädchen und Buben. Dazu gehört die Schulung von Grenzschutzbeamten zur Bekämpfung des Menschenhandels, die Ausweitung von Lernangeboten und die Integration von geflüchteten Kindern in Schulen, die Beschaffung von Impfstoffen und medizinischer Ausrüstung sowie die Einrichtung von Spiel- und Lernzentren, in denen Kinder Halt und etwas Normalität finden können. So wurden zum Beispiel 25 sogenannte «Blue Dot»-Anlaufstellen eingerichtet – sichere Orte, an denen bedürftige Kinder und ihre Familien wichtige Hilfe erhalten. In Moldau erhielten rund 52 000 geflüchtete Menschen Bargeldhilfen im Rahmen eines gemeinsamen Programms von UNICEF und dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR.