Die Lage im Gazastreifen spitzt sich dramatisch zu. Nach der vollständigen Blockade humanitärer Hilfe seit dem 2. März und erneuten Kämpfen sind Lebensmittel extrem knapp geworden. Der Hunger nimmt rasant zu – Fortschritte während der Waffenruhe zu Jahresbeginn sind vollständig zunichtegemacht.
Laut dem heute veröffentlichten Bericht der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) befinden sich 470 000 Menschen in Gaza in einer akuten Hungerkrise (IPC-Stufe 5). Die gesamte Bevölkerung leidet unter massiver Ernährungsunsicherheit. Besonders betroffen sind Kinder: Rund 71 000 von ihnen sowie mehr als 17 000 Mütter benötigen dringend Behandlung wegen akuter Mangelernährung. Das sind deutlich mehr Menschen als noch Anfang des Jahres prognostiziert.
«Familien in Gaza hungern, während tonnenweise Lebensmittel an den Grenzen bereitstehen», sagte Cindy McCain, Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms (WFP). «Wir können die Hilfe nicht liefern, weil der Konflikt erneut eskaliert ist und seit März ein vollständiges Hilfsverbot gilt. Wenn wir erst eingreifen, wenn die Hungersnot offiziell festgestellt ist, kommt jede Hilfe für viele zu spät.»
Die IPC warnt, dass die anhaltenden Militäreinsätze, die komplette Blockade und der Mangel an lebenswichtigen Gütern in den kommenden Monaten die Schwellen für Hungersnot, Mangelernährung und Sterblichkeit überschreiten könnten.
Der Bericht, getragen von 17 UN-Organisationen und NGOs, dokumentiert eine dramatische Zunahme von Hunger unter Kindern in Gaza – besonders in Nordgaza, Gaza-Stadt und Rafah. Der Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung sowie gravierender Mangel an sauberem Wasser und Hygiene verschärfen die Lage zusätzlich.
«Hungersnöte entstehen nicht über Nacht», betonte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. «Sie entwickeln sich dort, wo Kindern der Zugang zu Nahrung, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung verwehrt bleibt. Die Warnzeichen sind seit Langem sichtbar – wir rufen alle Konfliktparteien dringend auf, eine Katastrophe zu verhindern.»
Die Grenzübergänge nach Gaza sind seit mehr als zwei Monaten geschlossen. So lange wie nie zuvor. Die wenigen verbliebenen Lebensmittel auf den Märkten sind für die meisten Familien unerschwinglich.
Gleichzeitig stehen mehr als 116 000 Tonnen Lebensmittelhilfe – ausreichend für eine Million Menschen über vier Monate – in Hilfskorridoren bereit. Auch Hunderte Paletten mit therapeutischer Spezialnahrung für mangelernährte Kinder warten auf die Einfuhr. Die UN-Organisationen sind bereit, diese Hilfe umgehend bereitzustellen – sobald die Grenzen für eine humanitäre Versorgung nach internationalen Prinzipien wieder geöffnet werden.
UNICEF und das Welternährungsprogramm sind weiterhin vor Ort und bereit, unter Einhaltung humanitärer Grundsätze lebensrettende Hilfe zu leisten.
Bereits am 25. April musste das WFP seine letzten Lebensmittelvorräte aufbrauchen, um warme Mahlzeiten für Familien bereitzustellen. Knapp einen Monat zuvor hatten alle 25 vom WFP unterstützten Bäckereien den Betrieb eingestellt. Ihr Weizenmehl und Brennstoffvorräte waren aufgebraucht. Im selben Zeitraum gingen auch die WFP-Nahrungsmittelpakete für Familien – die jeweils für zwei Wochen reichen sollten – vollständig zur Neige.
UNICEF setzt weiterhin alles daran, die Wasserversorgung und lebenswichtige Ernährungsdienste aufrechtzuerhalten. Doch die Vorräte zur Vorbeugung von Mangelernährung sind bereits aufgebraucht, und auch die Mittel zur therapeutischen Behandlung akuter Mangelernährung sind inzwischen fast vollständig erschöpft.
UNICEF und das Welternährungsprogramm appellieren eindringlich an alle Konfliktparteien, die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung in den Mittelpunkt zu stellen, sofort humanitäre Hilfe nach Gaza zuzulassen und ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht einzuhalten.