UNICEF Exekutivdirektorin Henrietta Fore zur Lage in Afghanistan

Statement von UNICEF-Direktorin Henrietta Fore zur Lage von unbegleiteten und von ihren Familien getrennten Minderjährigen, die aus Afghanistan evakuiert wurden.

© UNICEF/UN0509166/Bide

«Seit dem 14. August wurden Hunderte von Kindern unter chaotischen Bedingungen bei den Evakuierungen, im und um den internationalen Hamid Karzai Flughafen in Kabul von ihren Familien getrennt. Einige der Kinder wurden in Evakuierungsflügen nach Deutschland, Katar und in andere Länder gebracht.  

UNICEF und unsere Partner haben rund 300 unbegleitete und von ihren Eltern getrennte Kinder aus Afghanistan registriert. Wir gehen davon aus, dass diese Zahl im Rahmen unserer Bemühungen, weitere Kinder zu identifizieren, noch steigen wird. 

Ich kann mir nur annähernd vorstellen, wie verängstigt die Kinder gewesen sein müssen, als sie plötzlich auf sich allein gestellt waren, während die Situation am Flughafen weiter eskalierte oder als sie mit einem Evakuierungsflug in ein anderes Land gebracht wurden.

UNICEF sorgt sich sehr um das Wohlergehen von unbegleiteten und von ihren Familien getrennten Kindern auf der Flucht, ganz gleich wo sie sich befinden. Sie gehören zu den verletzlichsten und schutzbedürftigsten Kindern auf der Erde. Es ist wichtig, dass sie jetzt so schnell wie möglich identifiziert und geschützt werden, während alle Anstrengungen unternommen werden, sie wieder mit ihren Angehörigen zusammenzuführen. Ihr Wohl muss jederzeit im Vordergrund stehen und sie müssen vor Missbrauch, Vernachlässigung und allen Formen von Gewalt einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden.

Während versucht wird ihre Familien zu finden und sie wieder mit ihnen zusammenzuführen, sollten die Kinder in einer sicheren und vorübergehenden Umgebung untergebracht werden, vorzugsweise bei erweiterten Familienmitgliedern oder in einem familiären Umfeld. Die Unterbringung in einem Heim sollte nur als letzte Möglichkeit und nur vorübergehend erfolgen. Die Regierungen von Ländern, in denen die unbegleiteten und von ihren Eltern getrennten Kinder Familienangehörige haben, müssen zusammenarbeiten und sowohl ihre Zusammenführung als auch sichere, legale Migrationswege für diese Kinder ermöglichen, wenn dies im Wohle des Kindes ist. Die Definition von Familienangehörigen sollte so weit gefasst sein, dass unbegleitete Kinder sicher bei Verwandten untergebracht werden können, die sich um sie kümmern können.

Ebenso sollten Kinder, die mit Erwachsenen geflüchtet sind, die sie gut kennen, aber nicht mit ihnen verwandt sind, bei ihnen bleiben können, wenn dies im besten Interesse des Kindes ist. Wenn Kinder von Erwachsenen getrennt werden, die ihre Bezugsperson und ihre Vertrauten sind und von denen sie betreut werden, kann dies dazu führen, dass sie weiter Schaden nehmen.  

Alle Kinder haben ein Recht darauf, mit ihren Familien zusammenzuleben. Alle Akteure, die an den Evakuierungen und der Aufnahme von Menschen aus Afghanistan beteiligt sind, müssen alles tun, damit Kinder von vornerein nicht von ihren Familien getrennt werden. Das bedeutet eine enge Zusammenarbeit und Koordination aller Beteiligten bei der Registrierung und Überprüfung von Passagierlisten der Flüge.

UNICEF unterstützt Regierungen, die Kinder evakuiert haben oder sie aufnehmen mit seiner Fachexpertise. UNICEF-Teams sind aktuell auf dem Luftwaffenstützpunkt Doha in Katar und dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland vor Ort und arbeiten mit den Behörden und weiteren Partnern zusammen, um unbegleitete Kinder zu registrieren, sie angemessen zu betreuen und zu schützen, ihre Angehörigen zu suchen und sie wieder mit ihren Familien zusammenzuführen. In Afghanistan selbst sind mehr als 550 000 Menschen auf der Flucht im eigenen Land, die meisten davon haben in den letzten Wochen ihr Zuhause verlassen. Zehn Millionen Kinder benötigen humanitäre Hilfe. Wir sind sehr besorgt über das Wohl und die Sicherheit der unbegleiteten und von ihren Familien getrennten Kinder in Afghanistan. UNICEF und seine Partner benötigen ungehinderten Zugang für humanitäre Helfenden in allen Orten Afghanistans, um sich ein genaues Bild darüber machen zu können, wie viele Kinder betroffen sind und wo sie sich aufhalten. Nur so können wir ihren Schutz und ihre Versorgung gewährleisten. Jetzt und in den kommenden Tagen ist es unerlässlich, dass alle Akteure und die internationale Gemeinschaft das Wohl der Kinder in Afghanistan und der Kinder, die evakuiert wurden, ins Zentrum ihres Handelns stellen.»